Phil. Beratung, was ist das?

Philosophische Beratung, was ist das?

Philosophie handelt vom Ganzen des Menschen und der Welt, etwa so wie auch die Religionen. Wenn jemand religiös gefestigt und eingebunden ist, braucht er dann noch eine Philosophie, eine philosophische Beratung? Nein, ich denke nicht. Die Religion beantwortet ihm dann alle die Grundfragen wie

„Wem oder was verdanken wir die Welt und unser Leben?“
„Wie ist die Welt, ist sie im Grunde gut oder schlecht?“,
„Was mache ich eigentlich hier?“
„Lebe ich „richtig“ oder verbringe ich nur meine Zeit?“,
„Wie verkrafte ich Krankheiten und Schicksalsschläge?“

Viele Menschen haben heute Zweifel an den Antworten, die die Religionen geben. Sie wollen es selber wissen, wollen die Fragen selbst stellen und selbst prüfen. Diese Haltung des Fragens, Staunens und Hinterfragens ist der Anfang der Philosophie. Seit 2500 Jahren sucht sie nach Antworten, streitet, diskutiert und disputiert. Endgültige Antworten, gültige Wahrheiten, wurden wenige gefunden. Erstaunlich wenige. Liest man heute einen alten Text der Griechen, so sind die Themen und Argumente dort oft so aktuell wie heute. Es könnte auch heute stattfinden, was da 400 v.Chr. besprochen wurde. Was aber leistet dann Philosophie? Was will eine „philosophische Beratung“ wenn sie keine gültigen Antworten parat hat?

Philosophische Beratung ist in erster Linie eine Besinnung im Dialog. Wir suchen gemeinsam etwas zu verstehen, suchen im Gespräch nach Alternativen oder Lösungen. Antworten sind da durchaus möglich. Sie entstehen im Gespräch, im Nachdenken selber; sie sind nicht vorgegeben. Sie entstehen aus der persönlichen Situation und aus dem Gesprächskontext heraus.
Philosophische Beratung, wie ich sie verstehe, ist keiner bestimmten phil. Richtung verpflichtet. Ich begreife Philosophie hier eher als einen Baukasten, aus dem wir uns nehmen, was wir gerade eben gut gebrauchen können. (Man denke an Paul Feyerabends „anything goes“.) Für Problemlösungen besonders gut bewährt haben sich die vier Bausteine:

— Wertschätzung des Individuellen (Jede Situation ist anders.)
— Achtung unserer Leiblichkeit (Was sagt mein Leib dazu?)
— Dialogorientierung („Die Wahrheit beginnt zu zweit.“)
— Zeitbewußtsein (Alles entwickelt sich…)

Daraus wird kein abgeschlossenes Weltbild, kein gotischer Dombau werden – eher ein Haus, eine Hütte für unsere aktuellen Lebensbedürfnisse. Ändern wir uns oder ändern sich die Verhältnisse, bauen wir das Haus um oder bauen ein neues. Diese Art von Philosophie ist kleiner und bescheidener als die großen Religionen. Aber ihre Antworten sind flexibler, flüssiger und uns selbst und den unseren besser auf den Leib geschneidert.
Gerd Achenbach hat diese pragmatische Haltung für sein Angebot einer „philosophischen Praxis“ pointiert formuliert: „Philosophische Praxis weiß nicht Bescheid, manchmal aber weiter“.

Wir untersuchen, welches geistige Haus Sie bereits gebaut haben, ob es zu Ihnen paßt, ob etwas fehlt und wie Sie sich dazu stellen. Es soll Ihr Haus werden, für alles Ihrige soll auch Platz sein und immer wieder Platz geschaffen werden.
Und wenn ich lieber ein Schiff hätte als ein Haus?
Nichts ist hier ausgeschlossen:

Es war einmal ein Lattenzaun,
mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.
Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da –
und nahm den Zwischenraum heraus
und baute draus ein großes Haus.
Der Zaun indessen stand ganz dumm,
mit Latten ohne was herum…
(Christian Morgenstern)

Ihr erstes Zuhause kann auch ein Luftschloß sein, ein imaginäres Reich, ein Ort der Mythen und Märchen. Das ist alles ein Rastplatz auf dem Weg, unsere Erfahrungen und unsere Wünsche wahrzunehmen und zu achten.

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